260 Millionen Bomben. 9 Jahre lang. Mehr als 200.000 Tote.
Während die Weltöffentlichkeit gen Vietnam blickte, tobte im Nachbarland Laos ein geheimer Krieg, dessen Verwüstung das Land bis heute paralysiert. Ein Bericht über die CIA, eine geheime Armee und eine endlose Bombardierung.
Die Indochinakonferenz 1954 in Genf beendete die seit über 60 Jahren anhaltende Kontrolle der Kolonialmacht Frankreich über einen großen Teil Südostasiens.
Grund für die Genfer Konferenz war die Niederlage Frankreichs: Die vietnamesische Viet Minh, eine kommunistische Bewegung unter der Führung Ho Chi Minhs, besiegte die Kolonialmacht im ersten Indochinakrieg (1946-1954) und führte damit zum Zerfall der Kolonie Französisch-Indochina. Frankreich räumte vereinbarungsgemäß ganz Indochina, die Viet Minh zogen sich nördlich des 17. Breitengrades nach Nordvietnam zurück, während Südvietnam weiterhin als westlich orientiertes Gebiet weiterbestand. Darüber hinaus erlangten die Königreiche Laos und Kambodscha ihre Unabhängigkeit von Frankreich.
Der vereinbarte Waffenstillstand sollte nicht von langer Dauer sein: Der zweite Indochinakrieg wird von 1955 – 1975 andauern und Millionen an Menschenleben kosten. Offiziell ein Krieg zwischen dem kommunistischen Nordvietnam und dem westlich geprägten Süden, entwickelte sich ein Stellvertreterkonflikt im kalten Krieg mit Unterstützung der Sowjetunion, China und Nordkorea auf Seiten der kommunistischen Viet Minh und der USA, Südkorea, Thailand, Australien und Neuseeland auf Seiten Südvietnams.
Bedenken des Westens, vor allem der USA, dass ein Sieg der kommunistischen Bewegung in Vietnam ein Ausbreiten des Kommunismus über ganz Südostasiens zur Folge haben könnte (“Domino theory”) führte schließlich zum offiziellen Kriegseintritt der USA im Jahre 1964. Als Kriegsgrund wurde der Tonkin-Zwischenfall angeführt, ein Angriff auf US-Kriegsschiffe im Golf von Tonkin. Es sollte sich herausstellen, dass es diesen Angriff nie gegeben hatte.
Im Schatten des Vietnamkrieges
Das Königreich Laos, ein Binnenstaat im Westen von Vietnam, hatte zum Zeitpunkt des zweiten Indochinakrieges eine geschätzte Einwohnerzahl von 2 Millionen Menschen, die mehrheitlich vom Ackerbau lebten. Das Königreich schlitterte nach seiner Unabhängigkeit von Frankreich direkt in einen Bürgerkrieg: Die kommunistische Bewegung Pathet Lao, unterstützt von den Viet Minh, kämpfte gegen die königliche Regierung um die Herrschaft über Laos. Vor allem der Nordosten und Südosten des Landes gerieten im Laufe des Bürgerkrieges unter die Kontrolle der Kommunisten.
Diese laotischen Gebiete nahmen im Vietnamkrieg eine Schlüsselposition ein: Durch sie lief ein beträchtlicher Teil des Ho-Chi-Minh-Pfades, ein logistisches Netz aus Straßen und Wegen, das den nordvietnamesischen Viet Minh die Verlegung von Truppen und Nachschub in den Süden Vietnams ermöglichte. Die US-Regierung erkannte, das ein Sieg unmöglich war, solange der Ho-Chi-Minh-Pfad weiter existierte.
Da Laos im Vietnamkrieg offiziell neutral war, konnte von Seiten der USA keine Bodenoffensive auf laotischem Gebiet stattfinden. Die US-Regierung ersann einen anderen Plan.
Die geheime Armee der CIA
1959 begann die US-amerikanische Central Intelligence Agency (CIA) mit der Aushebung einer geheimen Armee, die gegen die Pathet Lao kämpfen und die Kontrolle über den Ho-Chi-Minh-Pfad erlangen sollte. Dazu wurde das indigene Bergvolk der Hmong rekrutiert, einfache Bauern aus dem Nordosten Laos. 30.000 Hmong-Männer, die davor noch nie in ihrem Leben ein Flugzeug gesehen hatten, wurden von der CIA ausgestattet, im Guerilla- und Flugkampf trainiert und General Vang Pao unterstellt. 30% der Rekrutierten waren 14 Jahre alt oder jünger.
Logistisch wurde die geheime Armee von der Fluglinie “Air America” beliefert und versorgt. Nach außen hin eine zivile Fluggesellschaft, befand sie sich im Besitz und unter der Kontrolle der CIA. Nach späteren Eigenangaben war dieser Einsatz die größte paramilitärische Operation der CIA, die jemals stattgefunden hatte.
Trotz des teilweise erfolgreichen Einsatzes der Hmong-Armee konnte die Pathet Lao nicht bezwungen werden. Die US-Regierung wollte die Pattsituation endlich auflösen.
Operation Barrel Roll und Steel Tiger
Um die Hmong-Guerilla in der hart umkämpften Ebene der Tonkrüge zu unterstützen sowie die Versorgung über den Ho-Chi-Minh-Pfad endlich zu beenden, genehmigte der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson 1964 die „Operation Barrel Roll”, eine zunächst verhaltene, jedoch zunehmend stärker eskalierende Bombardierung von Laos. 1965 wurde außerdem mit der Operation „Steel Tiger“ begonnen, deren Ziel hauptsächlich der Ho-Chi-Minh-Pfad werden sollte.
Das Mittel der Wahl: Streubomben. Dutzende kleine Sprengkörper in der Größe eines Tennisballes wurden in ein Gebinde zusammengefasst, das in der Luft aufgeht und die sogenannten “Bomblets” großflächig verteilen soll. Der große räumliche Wirkungsradius dieser Bomben sollte genutzt werden, die Pathet Lao und den Ho-Chi-Minh-Pfad endgültig zu zerstören.
In dem Zeitraum von 1964 – 1975 wurden mehr als 580.000 Bombenangriffe gegen Laos geflogen, im Schnitt alle 8 Minuten, 24 Stunden pro Tag, 9 Jahre lang.
260 Millionen Bomben wurden in diesem Zeitraum über Laos abgeworfen, das Gesamtgewicht der Sprengkörper betrug mehr als 2,7 Millionen Tonnen.
Die Bombardierung hat mehr als 50.000 Menschen das Leben gekostet, davon 98% Zivilisten.
Die Bombardierung macht Laos bis heute zum pro Kopf am stärksten bombardierten Land der Erde. Pro Person wurden mehr als eine Tonne an Bomben eingesetzt.
Dieser geheime Krieg in Laos wurde unter strenger Geheimhaltung durchgeführt. Da Laos offiziell neutral war, wollte die US-Regierung sowohl ihre internationale Reputation nicht aufs Spiel setzen, fürchtete aber auch die Reaktionen aus dem eigenen Land, dessen Bevölkerung den Vietnamkrieg immer mehr ablehnte. Erst 1970 musste Präsident Nixon auf Druck zugeben, massiv in Laos interveniert zu haben.
Folgen und Laos heute
Trotz der beispiellosen Bombardierung von Laos und der geheimen Armee verlor die USA den Krieg. Die Pathet Lao eroberte 1975 die Hauptstadt Vientiane und rief die demokratische Volksrepublik Laos aus. Im selben Jahr eroberte die Viet Minh die Stadt Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt) und besiegte die US-Amerikaner in Vietnam. Damit endete der zweite Indochinakrieg.
200.000 Laoten starben bei diesem Krieg, mehr als 10% der Gesamtbevölkerung.
Die Hmong-Guerilla wurde nach der Niederlage ohne Unterstützung zurückgelassen. Mehr als 30.000 Hmong wurden nach dem Krieg in sogenannte “Umerziehungslager” gebracht, wo sie unter harten Bedingungen Zwangsarbeit verrichten mussten. Bis heute kämpfen Nachkommen der geheimen CIA-Armee in den Bergen gegen das kommunistische Regime in Laos.
Von den 260 Millionen Bomben, die über Laos abgeworfen wurden, sind rund 30% nicht detoniert. Über 80 Millionen explosionsbereite Bomben befinden sich noch im laotischen Boden, die seit 1975 weitere 20.000 Menschen das Leben kosteten. 37% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche sind betroffen.
Bis heute sterben jährlich über 50 Personen an den Blindgängern, davon 28% Kinder. Staatliche und nichtstaatliche Organisationen arbeiten an der Räumung der Bomben; bis heute wurden erst etwas mehr als 1 Millionen geborgen.